VERBORGENER RASSISMUS

Eine sub­tile, doch ver­heerende Präsenz

Offen­er Ras­sis­mus man­i­festiert sich in expliziten Äußerun­gen, Hand­lun­gen, Posi­tion­ierun­gen und Kam­pag­nen. Doch noch bedrohlich­er ist der ver­bor­gene Ras­sis­mus, der bewusst oder unbe­wusst ver­schleiert wird. Für den flüchti­gen Beobachter mögen die Hand­lun­gen, die Kon­text des ver­bor­ge­nen Ras­sis­mus stat­tfind­en, logisch erscheinen, während die Kon­se­quen­zen oft überse­hen wer­den.

In diesem Artikel möchte ich den Fokus auf diesen ver­bor­ge­nen Ras­sis­mus leg­en. Er äußert sich inForm von Stereo­typen und Diskri­m­inierung. Sub­tile Vorurteile und Mikroag­gres­sio­nen kön­nen genau­so schädlich, wenn nicht sog­ar schädlich­er sein als offen­er Ras­sis­mus und sind alarmierend weit ver­bre­it­et in ein­er Gesellschaft, die sich der Förderung von Vielfalt und Inklu­sion ver­schrieben hat.

Verborgener Rassismus beruht im Allgemeinen auf zwei logischen Fehlschlüssen:

Der erste logis­che Fehlschluss sind Vorurteile. Diese sind Konzepte, die auf eine Sit­u­a­tion, ein Indi­vidu­um oder eine Gruppe pro­jiziert wer­den. Sie sind tief im Unter­be­wusst­sein ver­wurzelt und resul­tieren aus Erziehung, Bil­dung, kul­turellem und religiösem Erbe, ide­ol­o­gis­chen Überzeu­gun­gen sowie Ein­flüssen von Pro­pa­gan­da und Medi­en. Durch qual­i­ta­tive und quan­ti­ta­tive Wieder­hol­ung­haben sich diese Konzepte im Laufe der Zeit im Unter­be­wusst­sein ver­fes­tigt. Sie wer­den für Indi­viduen und Gesellschaften zur Selb­stver­ständlichkeit und sind automa­tisiert ver­ankert. Vorurteile man­i­festieren sich nicht nur in Mei­n­un­gen, son­dern auch in unbe­wussten Ver­hal­tensweisen und Hand­lun­gen im All­t­ag. Sie wirken, auch wenn sie manch­mal ver­schleiert oder ver­sucht ver­schön­ert zu wer­den. Vorge­fasste Mei­n­un­gen führen dazu, dass bes­timmte Men­schen, eth­nis­che Grup­pen oder Reli­gio­nen unbe­wusst mit Mis­strauen betra­chtet wer­den, bis das Gegen­teil bewiesen ist.

Der zweite logis­che Fehlschluss ist das vor­ein­genommene Argu­ment. Dies ist eine Form des logis­chen Fehlschlusses, bei dem eine Per­son sich auf eine Seite ein­er Angele­gen­heit konzen­tri­ert und dabei andere Aspek­te über­sieht, die möglicher­weise genau­so wichtig oder sog­ar wichtiger sind. Wenn wir dieses Konzept auf den ver­bor­ge­nen Ras­sis­mus anwen­den, sehen wir, dass es Sit­u­a­tio­nen gibt, in denen eine Per­son sich auss­chließlich auf die Fehler eines anderen konzen­tri­ert und dabei dessen Ver­di­en­ste ignori­ert. Selb­st wenn wir davon aus­ge­hen, dass dies unbe­wusst geschieht, bleibt es ein Prob­lem. Denn in der Psy­cholo­gie ist bekan­nt, dass Men­schen dazu neigen, vor allem das wahrzunehmen und zu beobacht­en, was ihre eige­nen Ideen und Überzeu­gun­gen bestätigt.

Arbeit ist ein zen­traler Pfeil­er der gesellschaftlichen Inte­gra­tion. Daher ist es von entschei­den­der Bedeu­tung, das Phänomen des laten­ten Ras­sis­mus am Arbeit­splatz zu beleucht­en und zu adressieren. Im Fol­gen­den möchte ich einige Man­i­fes­ta­tio­nen dieses Prob­lems illus­tri­eren

1.Voreingenommene Ein­stel­lungsver­fahren: Es kann vorkom­men, dass Arbeit­ge­ber qual­i­fizierte Kan­di­dat­en auf­grund ihres Namens, ihrer Herkun­ft oder ihres Akzents, bewusst oder unbe­wusst, ablehnen und dies mit nicht stich­halti­gen Begrün­dun­gen recht­fer­ti­gen.

2.Mikroaggressionen: Dies sind sub­tile, oft unbe­ab­sichtigte Diskri­m­inierun­gen, die sich in Form von Kom­mentaren oder Witzen man­i­festieren, die die Herkun­ft, den Akzent oder die Kul­tur ein­er Per­son her­ab­set­zen.

3. Implizite Diskri­m­inierung: Hier­bei wird indi­rekt sug­geriert, dass eine Per­son aus­ländis­ch­er Herkun­ft weniger kom­pe­tent und fähig ist, beispiel­sweise indem ihre Mei­n­un­gen und Vorschläge nicht ernst genom­men wer­den.

4. Soziale Aus­gren­zung: Per­so­n­en mit Migra­tions­geschichte wer­den möglicher­weise nicht in gesellschaftliche Ver­anstal­tun­gen ein­be­zo­gen oder es wird ver­mieden, mit ihnen zu sprechen oder in lokalen Dialek­ten zu kom­mu­nizieren, was dazu führt, dass sie sich trotz ihrer Anwe­sen­heit aus­geschlossen fühlen.

5. Über­mäßige Kri­tik: Es kann vorkom­men, dass Arbeitgeber*innen sich auf jeden Fehler konzen­tri­eren, den eine Per­son mit Migra­tions­geschichte gemacht hat, und diesen Fehler sog­ar übertreiben, während sie densel­ben Fehler, wenn er von anderen (Per­so­n­en ohne Migra­tionsh­in­ter­grund) gemacht wird, ignori­eren.

6. Sub­tile Diskri­m­inierung: Fra­gen nach der Herkun­ft ein­er Per­son kön­nen implizieren, dass sie nicht wirk­lich zur deutschen Gesellschaft gehört, nur weil sie oder ihre Fam­i­lie aus einem anderen Land stam­men.

7. Über­mäßige Überwachung oder Kon­trolle: Dies kann einen Man­gel an Ver­trauen sowohl in Bezug auf die Sicher­heit am Arbeit­splatz als auch in Bezug auf die Effizienz wider­spiegeln.

8. Unsicht­barkeit: z.B. Die Leis­tun­gen und Beiträge von Mitarbeiter*innen mit Migra­tions­geschichte wer­den überse­hen oder nicht anerkan­nt.

9. Ungerechte Beförderung­sprak­tiken: z.B. Mitar­bei­t­ende mit Migra­tions­geschichte wer­den bei Beförderun­gen überse­hen, selb­st wenn sie die gle­iche Leis­tung erbrin­gen oder sog­ar bess­er sind als ihre Kolleg*innen.

Die hier aufge­führten Beispiele verdeut­lichen, dass laten­ter Ras­sis­mus in vielfälti­gen For­men auftritt und oft schw­er zu erken­nen ist. Es ist von größter Bedeu­tung, dass sowohl Arbeitgeber*innen als auch Mitarbeiter*innen sich dieser Prob­lematik bewusst sind und Maß­nah­men ergreifen, um sie zu bekämpfen.

Die Auswirkun­gen von laten­tem Ras­sis­mus sind weitre­ichend und tief­greifend. Sie kön­nen den Zugang zu Chan­cen und Ressourcen ein­schränken und zur gesellschaftlichen Spal­tung und Ungle­ich­heit beitra­gen. Dieser latente Ras­sis­mus, der sich hin­ter ver­schiede­nen Recht­fer­ti­gun­gen ver­birgt, führt zu Ungerechtigkeit und ste­ht damit im Wider­spruch zum in der Ver­fas­sung ver­ankerten Prinzip der Gerechtigkeit und Gle­ich­heit.

Die Bekämp­fung von laten­tem Ras­sis­mus erfordert eine bewusste Anstren­gung. Sie begin­nt mit Selb­stre­flex­ion und dem Bewusst­sein unser­er eige­nen Vorurteile. Wir müssen bere­it sein, uns unseren Vorurteilen zu stellen und sie zu hin­ter­fra­gen. Bil­dung und Aufk­lärung sind entschei­dend, um ein tief­eres Ver­ständ­nis und Empathie für die Erfahrun­gen ander­er zu fördern.

Es ist auch wichtig, dass wir uns für Gle­ich­berech­ti­gung und soziale Gerechtigkeit ein­set­zen und uns gegen alle For­men von Ras­sis­mus aussprechen, egal wie sub­til sie sein mögen. Es bedarf präzis­er­er und stren­ger­er Geset­ze, um alle Arten von Ras­sis­mus und Diskri­m­inierung zu bekämpfen. Auch Gew­erkschaften und Per­son­al­räte müssen diesen Prob­le­men mehr Aufmerk­samkeit wid­men und eine aktive Rolle bei ihrer Bekämp­fung übernehmen.

Um die Rel­e­vanz des The­mas zum Abschluss zu verdeut­lichen: Men­schen mit Migra­tions­geschichtemachen fast 28 Prozent der Bevölkerung in Deutsch­land aus, und das Land strebt an, immer mehr Arbeit­skräfte aus dem Aus­land zu gewin­nen. Es wird dementsprechend Zeit, sich der Reflex­ion des laten­ten Ras­sis­mus auf indi­vidu­eller und struk­tureller Ebene zuzuwen­den.

Ahmad Al Hami­di 08 12 2023

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