Der Sturz des syrischen Regimes: Das Schicksal von Flüchtlingen und die Zukunft von Asylsuchenden 

Ich erhalte derzeit zahlre­iche Anfra­gen zur Lage in Syrien und den damit ver­bun­de­nen Her­aus­forderun­gen. Ich möchte meine Gedanken zu eini­gen dieser Fra­gen gerne hier teilen.

„Wie haben Sie den Sturz des syrischen Regimes aufgenom­men?“

Am 8. Dezem­ber 2024 erlebte die Welt einen his­torischen Moment: Das syrische Régime, das jahrzehn­te­lang mit eis­ern­er Hand regiert hat­te, wurde gestürzt. Dieses Régime war ver­ant­wortlich für das Ver­schwinden von Zehn­tausenden, den Tod von Hun­dert­tausenden und die Vertrei­bung von Mil­lio­nen. Es hin­ter­ließ ein Land in Trüm­mern, geprägt von leeren Parolen, Trä­nen, Blut, Schmerz und Armut. Der Sturz dieses Regimes war für mich ein­er der bedeu­tend­sten und ergreifend­sten Momente meines Lebens – ein lang ersehn­ter Traum, der endlich Wirk­lichkeit wurde. 

„Ist Syrien nach dem Sturz Assads ein sicheres Land?“

Es ist ver­früht, Syrien nach dem Abgang von Assad als sich­er zu beze­ich­nen. Nach 14 Jahren Krieg haben sich Armee, Polizei und Milizen über Nacht aufgelöst, und viele Waf­fen befind­en sich nun in den Hän­den der Bevölkerung und ein­er Oppo­si­tion, die aus ver­schiede­nen Frak­tio­nen beste­ht. Syrien ist ein mul­tire­ligiös­es, mul­ti­kon­fes­sionelles und mul­ti­eth­nis­ches Land, in dem Reli­gion weit­er­hin eine zen­trale Rolle spielt. Ein bedeu­ten­der Teil der Oppo­si­tion ist islamisch ori­en­tiert. All diese Fak­toren machen es notwendig, die Ein­schätzun­gen des Auswär­ti­gen Amtes, der Europäis­chen Union, der Vere­in­ten Natio­nen und inter­na­tionaler Organ­i­sa­tio­nen abzuwarten, um die Sicher­heit in Syrien zu beurteilen.

„Soll­ten syrische Flüchtlinge zurück­kehren, wenn die Sit­u­a­tion als sich­er gilt?“

Ich befür­worte die Rück­kehr syrisch­er Flüchtlinge, sobald ihr Land als sich­er gilt und keine Gefahr der Ver­fol­gung auf­grund von Reli­gion, Kon­fes­sion, sex­ueller Ori­en­tierung, poli­tis­ch­er Oppo­si­tion oder anderen geset­zlich anerkan­nten Grün­den beste­ht. Für diejeni­gen, die in Deutsch­land arbeit­en, studieren oder eine Beruf­saus­bil­dung absolvieren, ist ihr Aufen­thalt nicht mehr nur mit dem Asyl­recht ver­bun­den, son­dern auch mit ihrer beru­flichen und akademis­chen Inte­gra­tion. Den Diskurs über dieses The­ma erlebe ich oft als über­trieben, da wir in einem Rechtsstaat leben, der sich­er­stellt, dass alle Fälle fair und gerecht behan­delt wer­den. 

„Rech­nen Sie damit, dass der Zus­trom syrisch­er Asyl­be­wer­ber nach dem Sturz Assads anhal­ten wird?“

Ja, ich erwarte weit­er­hin einen Zus­trom syrisch­er Asyl­be­wer­ber, jedoch in gerin­gerem Umfang als zuvor. Ich plädiere ger­ade wegen des Sturzes des Regimes für eine Ver­schär­fung der Asylpoli­tik, sei es durch Auf­nahme, Ablehnung oder Abschiebung, da viele Überbleib­sel des dik­ta­torischen Regimes ver­suchen kön­nten, in europäis­che Län­der, ein­schließlich Deutsch­land einzu­drin­gen. Über 300.000 Mit­glieder der Armee, Sicher­heit­skräfte und Gefäng­niswärter sind ver­schwun­den. Viele von ihnen haben Ver­brechen an ihren Land­sleuten began­gen und manche tra­gen has­ser­füllte, ras­sis­tis­che und anti­semi­tis­che Ide­olo­gien in sich. Wir müssen  wach­sam sein, um zu ver­hin­dern, dass diese Per­so­n­en in unser Land gelan­gen. 

Schließlich, in Anbe­tra­cht der aktuellen geopoli­tis­chen Her­aus­forderun­gen und der his­torischen Ver­ant­wor­tung, die wir als Nation und als Teil der Europäis­chen Union tra­gen, appel­liere ich an Deutsch­land und die EU, Syrien in dieser kri­tis­chen Phase zu unter­stützen. Diese Unter­stützung sollte sich nicht nur auf den Wieder­auf­bau der zer­störten Infra­struk­tur konzen­tri­eren, son­dern auch auf die Förderung von Demokratie, Men­schen­recht­en und der Achtung der indi­vidu­ellen Frei­heit­en. Ein sta­biles und friedlich­es Syrien ist nicht nur im Inter­esse der Region, son­dern trägt auch zur glob­alen Sta­bil­ität bei. Durch eine engagierte Unter­stützung kön­nen wir dazu beitra­gen, die Grund­la­gen für eine friedliche und pros­perierende Zukun­ft in Syrien zu leg­en, was let­ztlich auch der Sicher­heit und dem Wohl­stand Europas zugutekommt. 

Ahmad Al Hami­di

Direk­tkan­di­dat für den Bodenseekreis und Co-Sprech­er des Kreisver­ban­des Bodenseekreis für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

Bildquellen

  • ruins_in_homs: Bild in Lizenz von Angi­o­lo – stock.adobe.com

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